Die Ausgabe von Alban Bergs sämtlichen Werken versteht sich als historisch-kritische Edition, die zugleich auch der musikalischen Praxis dienen kann. Sie basiert auf sämtlichen verfügbaren überlieferten Quellen, insbesondere den Autographen und den vom Autor kontrollierten Drucken. Da es den heutigen Ansprüchen an eine solche Gesamtausgabe nicht mehr genügt, einen von Druckfehlern und sonstigen Versehen gereinigten Notentext vorzulegen, erscheint es vielmehr geboten, die verschiedenen Stufen der Entwicklung des Notentextes, die der Komponist für verbindlich erklärt hat, kennenzulernen und wenn möglich, auch die Gründe der Umänderung zu erfahren. Es ist, wie bei allen künstlerischen Werken von Rang, notwendig, den Entstehungsprozeß möglichst genau und der jeweiligen Situation gemäß zu dokumentieren.
Von jedem Werk sind darum sämtliche authentischen Fassungen, auch eigene Bearbeitungen, in der Ausgabe enthalten.
Neben den Originalwerken und den eigenen Bearbeitungen sind einige nicht als „Werke“ gültige Studien-Kompositionen überliefert, die primär für den Unterricht bei Arnold Schönberg ausgearbeitet wurden. Darüber hinaus enthält der Nachlass auch Kompositionen, die vornehmlich von entwicklungsgeschichtlichem Interesse sind, vor allem den reichen Bestand an sogenannten Jugendliedern.
Von Bedeutung sind schließlich außerdem die musikliterarischen Arbeiten Bergs. Es handelt sich dabei um musikalische Analysen (meist von Werken Arnold Schönbergs), um Vorträge, Essays und um Widmungen (bisweilen in Gedichtform) sowie um Interviews.
Gliederung
Die Gliederung der Ausgabe ist systematisch, die Gruppierung innerhalb der Bände erfolgt ebenfalls systematisch und (nachgeordnet) chronologisch.
Die Verteilung der einzelnen Werke auf die verschiedenen Bände hat auch praktische Erwägungen zu berücksichtigen. Der Grundsatz, verschiedene Fassungen eines Werkes in verschiedene Bände zu placieren, hat sich bereits bewährt: Durch diese Art der Gruppierung ist es möglich, die verschiedenen Fassungen bequem miteinander zu vergleichen.
Die Besonderheit des Bergschen Oeuvres legt eine Gliederung in drei Abteilungen nahe:
I. Musikalische Werke (Werke, die Berg selbst veröffentlicht hat, deren Aufführung er betrieben oder gewünscht hat)
II. Musikalischer Nachlass (Jugendwerke und Werke, die im Unterricht geschrieben wurden, bis hin zu jenen, die gewissermaßen den Abschluß des Kompositionskurses bei Schönberg markieren)
III. Musikalische Schriften und Dichtungen (Bergs musikschriftstellerisches Werk).
Diese Gliederung in drei Abteilungen soll den Unterschied zwischen den anerkannten musikalischen Werken einerseits und den Dokumenten der Entwicklung Bergs als Komponist andererseits besonders hervorheben.
Die Bände der ersten beiden Abteilungen erscheinen in zwei Serien:
Serie A: Notenbände
Serie B: Quellenbericht, Revisionsbericht, Dokumente zur Entstehungsgeschichte, Edition der Skizzen und der verworfenen Frühfassungen.
Gestaltung
Der Notentext wird unter Berücksichtigung der charakteristischen Eigenarten Bergs in Maßen vereinheitlicht, wobei auch den Bedürfnissen der heutigen musikalischen Praxis Rechnung getragen wird. Stets ist der besondere Status des Aufgezeichneten als „Text“, als eine selbständige Erscheinungsweise des Werkes, zu berücksichtigen. Dies betrifft auch viele, im Folgenden auszuführende Einzelheiten.
Bergs Gepflogenheiten und Sonderangaben werden berücksichtigt, wo dies ausdrücklich von ihm gewünscht oder aus den Quellen zwingend herzuleiten war – z. B. ungewöhnliche Partituranordnung und Seitenaufteilung zur Hervorhebung symmetrischer Konstruktionen; Anordnung der Haupttitel und Besetzungslisten; in besonderen Fällen auch die Bogenführung, Balkensetzung, Plazierung von dynamischen Angaben und verbalen Zusätzen, die Orthographie von Pausen und rhythmischen Notenwerten. Die Partituren sind den jeweiligen Vorlagen entsprechend transponierend oder nicht transponierend (also in C) notiert; die vom heutigen Gebrauch abweichende Schlüsselung einzelner Instrumente sowie Schlüsselwechsel wurden nur beibehalten wenn besondere Gründe dafür sprachen.
Die Vorzeichensetzung wird, ebenfalls nach Maßgabe von Bergs Vorliebe zur Überbezeichnung (auch in tonartgebunden Werken) vereinheitlicht. Vorzeichen bei unmittelbaren Tonwiederholungen werden weggelassen bzw. getilgt, ansonsten wird den in den Quellen jeweils erkennbaren Tendenzen gefolgt.
Ohne besondere Erwähnung im Kritischen Bericht werden normalisiert bzw. vereinheitlicht:
– Partituranordnung und Instrumentenbezeichnungen (unter Berücksichtigung der von Berg hauptsächlich verwendeten)
– Taktvorzeichnung, Anordnung und Schriftart der Tempo- und Charakterangaben, Taktzählung
– dynamische Angaben und Zeichen, Vortragsanweisungen und sonstige verbale Zusätze
– Spielanweisungen – z.B. steht nicht gleichzeitig gestopft und +, oder Flag. und 0; Dämpferangaben erscheinen in einheitlicher Abkürzung und ohne den gelegentlichen Zusatz eines Rufzeichens
– die Wiederholung der Vorzeichen am Anfang einer Seite.
Korrekturen und Ergänzungen der Herausgeber werden nicht gekennzeichnet oder typographisch hervorgehoben, sondern ebenso wie abweichende Lesarten wichtiger Quellen im Kritischen Bericht angeführt. Die häufigen Angaben alternativer Aufführungsmöglichkeiten (Ossia-Versionen) werden, wie von Berg vorgesehen, im Haupttext auf kleineren Systemen geboten; Bergs eigene, in Fußnoten formulierte Kommentare sind ebenfalls als Fußnoten wiedergegeben.
Über Sonderregelungen für einzelne Werke wird im jeweiligen Kommentarband (Serie B) berichtet.
Für die Bände der Serie II gelten besondere Richtlinien, die jeweils am Ort dargelegt werden.
Die Texte der Bandbearbeiter in beiden Serien erscheinen den Wünschen der jeweiligen Autoren entsprechend in deutscher oder englischer Sprache.
Rudolf Stephan (November 1995)
Träger: Alban Berg Stiftung
Herausgeber: Alban Berg Stiftung in der Universal Edition A.G.
Editionsleitung seit 2015: Prof. Dr. Martin Eybl
(Editionsleitung bis 2015: Prof. Dr. Rudolf Stephan)
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Klaus Lippe, M. A.
lippe[at]albanbergstiftung.at
Dr. Ingrid Schraffl (karenziert)
schraffl[at]albanbergstiftung.at
Externe Mitarbeiter
Prof. em. Dr. Mark DeVoto
Dr. Thomas Ertelt
Prof. em. Dr. Douglas Jarman
Prof. Dr. Kordula Knaus
Dr. Ulrich Krämer
Dr. Jonas Pfohl
Prof. Dr. Klaus Schweizer
Manuel Strauss, M. A.
Alban Berg Gesamtausgabe
Trauttmansdorffgasse 27
A-1130 Wien
Verlag: Universal Edition A. G. Wien
I. ABTEILUNG: MUSIKALISCHE WERKE
1. „Wozzeck“, Oper in drei Akten nach Georg Büchner (in 3 Teilen).
2. „Lulu“, Oper in drei Akten nach den Dramen „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind (in 2 Teilen); – Supplement: III. Akt, Particell (Faksimile und Kommentar).
3. Opernsinfonien: – Drei Bruchstücke aus der Oper „Wozzeck“; – Sinfonische Stücke aus der Oper „Lulu“.
4. Orchesterwerke: – Drei Stücke für Orchester [op. 6]; – Drei Stücke aus der „Lyrischen Suite“ für Streichorchester; – Bearb. Johann Strauß: „Wein, Weib und Gesang“; – Anhang: Fragmente.
5. Konzerte (in zwei Teilen): – Kammerkonzert für Violine, Klavier und 13 Bläser; – Konzert für Violine und Orchester.
6. Orchestergesänge: – Fünf Lieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg für Gesang und Orchester op. 4; – Sieben frühe Lieder für Gesang und Orchester; – „Der Wein“, Konzertarie für Sopran und Orchester.
7. Kammermusik: – Streichquartett op. 3; – Lyrische Suite für Streichquartett; – Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5; – „Adagio“ aus dem Kammerkonzert für Violine, Klarinette und Klavier; – „Hier ist Friede“ op. 4 Nr. 5 für Kammerensemble.
8. Klaviermusik, Lieder, Kanon: – Sonate für Klavier op. 1; – Vier Lieder nach Gedichten von Alfred Mombert und Friedrich Hebbel op. 2; – Sieben frühe Lieder für Gesang und Klavier; – „Schließe mir die Augen beide“ (Theodor Storm) für Gesang und Klavier, zwei Kompositionen; – Kanon für das Jubiläum des Frankfurter Opernhauses; – Anhang: Drei Stücke für Orchester [op. 6] (Klavier zu 8 Händen); „Präludium“ aus den Drei Stücken für Orchester [op. 6] (Klavier zu 4 Händen); Streichquartett op. 3 (Klavier zu 4 Händen); 5 Lieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg op. 4 (Klavierauszug); Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten (Schönberg, Schreker).
II. ABTEILUNG: MUSIKALISCHER NACHLASS
1. Jugendlieder (in 2 Teilen).
2. Kompositionen (Instrumentalmusik und Chöre) aus der Lehrzeit (in 2 Teilen): – I. Aus der Zeit vor dem Unterricht bei A. Schönberg; – II. Aus der Zeit des Kontrapunktunterrichts (15 Chöre, z.T. Kanons; für Klavier: 4 Inventionen, 2 Menuette, 3 Fugen; 3 Kompositionen für Kammermusikensemble, darunter die „Fünfstimmige Fuge mit zwei Themen für Streichquintett mit Klavierbegleitung“; 3 Stücke für Streichquartett); – III. Aus der Zeit des Kompositionsunterrichts (Kompositionen für Klavier: Variationssätzchen, kurze Stücke, Menuett, Scherzi, Walzer, Adagio, Variationenthemen und Variationen (darunter die „Zwölf Variationen über ein eigenes Thema“ C–Dur, sonst meist Entwürfe), Sonatenentwürfe; Kompositionen für Streichquartett: Menuett, Variationenthemen, Variationen, Adagios; Kammermusikentwürfe für ein Instrument mit Klavier); – Anhang: Beethoven, Klaviersonate Es–Dur op. 7,4 für Streichorchester.
III. ABTEILUNG: MUSIKALISCHE SCHRIFTEN UND DICHTUNGEN
1. Analysen musikalischer Werke von Arnold Schönberg: – Gurrelieder; – Pelleas und Melisande; – Kammersinfonie op. 9.
2. Aufsätze, kleine Beiträge und weitere Schriften.
Bereits erschienen:
I/1, Wozzeck, vorgelegt von Klaus Lippe (2023)
I/2, Supplement, Lulu, III. Akt, Particell (Faksimile-Ausgabe), vorgelegt von Thomas Ertelt (2013)
I/5, Teilband 1, Kammerkonzert, vorgelegt von Douglas Jarman (2004)
I/5, Teilband 2, Violinkonzert, vorgelegt von Douglas Jarman (1996), Kommentarband, vorgelegt von Douglas Jarman und Regina Busch (2022)
I/6, Orchestergesänge, vorgelegt von Mark DeVoto, Klaus Schweizer und Rudolf Stephan, unter Mitarbeit von Regina Busch (1997)
II/2, Kompositionen aus der Studienzeit, Teil 1: Instrumentalmusik und Chöre, vorgelegt von Ulrich Krämer (1998)
II/2, Kompositionen aus der Studienzeit, Teil 2: Instrumentalmusik 2: Einzelne Stücke, Variationen, Sonatenentürfe, vorgelegt von Ulrich Krämer (2007)
III/1, Schriften 1, „ Analysen musikalischer Werke von Arnold Schönberg “, vorgelegt von Rudolf Stephan und Regina Busch (1994)
Separatum, Symphonie-Fragmente, vorgelegt von Rudolf Stephan (1984)
III/2, Schriften 2, „Aufsätze, kleine Beiträge und weitere Schriften“, vorgelegt von Kordula Knaus unter Verwendung der Vorarbeiten von Julia Bungardt (2023)
Außerhalb der Gesamtausgabe sind erschienen:
Sonate für Klavier op. 1, herausgegeben von Klaus Lippe, Wissenschaftliche Neuausgabe - authentische Urtext-Fassung, UE33070, ISBN: 978-3-7024-2917-1 , ISMN: 979-0-008-07681-7 (2006)
Jugendlieder für Stimme und Klavier, Band 3, herausgegeben von Christopher Hailey, UE36611, ISBN: 978-3-7024-7374-7 , ISMN: 979-0-008-08703-5 (2016)