6. Dezember 2023, 18 Uhr, Österreichische Gesellschaft für Musik, Hanuschgasse 3, 1010 Wien
Die Oper Wozzeck wurde bisher zweimal in einer gedruckten Partitur vorgelegt: 1926, ein Jahr nach der Uraufführung in Berlin, erschien die Partitur in der Universal Edition. Die Erstausgabe wurde im Zuge der ersten Aufführungen umfangreichen Korrekturen und Umarbeitungen unterzogen, die in einer geplanten Neuausgabe der Oper hätten berücksichtigt werden sollen. Erst in den 1950er Jahren erschien die von Hans Erich Apostel nach den hinterlassenen, endgültigen Korrekturen des Komponisten besorgte Ausgabe.
Die vorliegende Edition versucht nicht nur, einen auf sämtlichen verfügbaren Quellen basierenden Notentext vorzulegen, sondern auch visuelle Besonderheiten der Partituranordnung des Autographs so weit wie möglich zu rekonstruieren. Darüber hinaus werden die in der Apostel-Ausgabe nicht übernommenen Ossia-Varianten in den Singstimmen sowie weitere, späte Ergänzungen aus Bergs persönlichem Korrekurexemplar in die Edition aufgenommen.Das Wozzeck-Autograph fasziniert nicht zuletzt aufgrund notationaler Qualitäten, die sich als konkrete Visualisierung musikalisch-dramatischer Vorgänge lesen lassen. Zu nennen wäre hier etwa die Mitführung von Notenzeilen für pausierende Sing- und Instrumentalstimmen in einer Partitur, in der standardmäßig keine „Leerzeilen“ vorgesehen sind.
Eine Besonderheit der Partituranordnung zeigt sich im II. Akt in der Einrückung eines zentral im großen Orchester positionierten Kammerorchesters, durch die nicht nur die optische Zuordnung der Instrumente erleichtert, sondern zugleich der Konflikt zwischen Wozzeck und Marie unmittelbar anschaulich wird. Auch die rote Kolorierung der Bühnenmusik im II. und III. Akt visualisiert eine Differenz, die nicht nur als farblicher „Schmuck“, sondern als Hervorhebung ihrer diegetischen Funktion beobachtet werden kann.